100 Jahre Autositz – eine Entwicklungsgeschichte

Die Menschen wollen gerade im Autositz gesund und sicher Platz nehmen können. Neue medizinische Erkenntnisse und technische Möglichkeiten verändern immer wieder die Vorstellung vom zeitgemäß Sitzen. So kann in der Entwicklung des Autositzes wie in einem Mikrokosmos die technische Entwicklung des Automobils betrachtet werden.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten die ersten Autos zwischen den bis dahin dominierenden Fuhrwerken auf. Die Fahrer saßen „hoch zu Roß“ auf Autositzen, die eigentlich nur nachempfundene Kutschersitze waren.

Die Autos wurden zwar nicht von Pferden gezogen, die plötzlich durchgehen konnten. Aber die Autos wurden immer schneller und sie wurden immer mehr. In den deutschen Großstädten verstopfte bald der Autoverkehr die Straßen, andere Verkehrsteilnehmer wurden belästigt, es kam zu Unfällen. Fahrer und Fußgänger wurden verletzt. Die materiellen Schäden stiegen auf bis dahin nicht gekannte Höhen. Sowohl was den einzelnen Unfall betraf als auch in ihrer volkswirtschaftlichen Gesamthöhe. Tendenz steigend.

Die Politik sah sich gezwungen zu handeln. 1909 verabschiedete der deutsche Reichstag ein Kraftfahrgesetz mit Verkehrsregeln und Regelungen zur Haftpflicht. Das waren erste Versuche gegenzusteuern. In der Praxis überstiegen die Schäden jedoch häufig die finanzielle Leistungsfähigkeit der Unfallverursacher, worauf 1939 das „Haftpflichtversicherungsgesetz“ beschlossen wurde.

Doch nicht nur die Politik wurde aktiv. Die Ingenieure machten sich Gedanken darüber, wie die Sicherheit im Auto verbessert werden könnte. Wie können Unfälle vermieden werden?

Als ein Problem bei der Sicherheit wurde der Autositz ausgemacht.

1920 geht die „Praktische Fahrkunde“ vom Fahringenieur Wilhelm Wiedig schon in die zweite Auflage. Wiedig betont bereits die Wichtigkeit der richtigen Sitzposition und favorisiert eine „natürliche Ungezwungenheit“ … „bei der man sicher Schalt- und Bremshebel betätigen und gut das Steuerrad halten und die Pedale bedienen kann.“ (Also was man unter dem Begriff der „Fahrzeugbedienung“ als Aufgabe der Sitzposition bezeichnen kann).
Mit bedauern kommentiert er den damals mangelnden technischen Stand: „Zu viele Abweichungen in der Größe des Lenkrades, der Neigung der Steuerung, der Stellung von Gas- und Zündhebel …“ sowie „zu viele Unterschiede in der Körpergröße der Fahrer…“ welche es nahezu unmöglich machten, die richtige Sitzposition einzunehmen.

Autofirmen wie Daimler-Benz bauen ihren wirtschaftlichen Erfolg auch auf dem Markenwert Sicherheit.

Ein Ingenieur wie Béla Barényi arbeitet jahrzehntelang für die Daimler-Benz AG. Von ihm stammt die bis heute gültige Unterteilung in aktive und passive Sicherheit. Allein auf Béla Barényi wurden 2.500 Patente angemeldet. So wurde auch der Autositz systematisch verbessert.

Heute fordert der Zeitgeist eine bessere Ergonomie am Autositz. Krankenkassen beschreiben die gesundheitlichen Probleme und Kosten, die durch das lange Sitzen und den Bewegungsmangel in der modernen Zivilisation hervorgerufen werden, in dem Satz: „Sitzen ist das neue Rauchen“. Der „Arbeitsplatz-Auto“ ist ein Teil dieser „tödlichen Aktivität des exzessiven Sitzens“ (ntv.de aufgerufen 7.2.2014). Die Feststellung „Der Stuhl ist dein Feind“ beschreibt das Problem ebenfalls sehr eindringlich (karrierebibel.de aufgerufen 3.4.2015).

Die Autositzposition gilt heute als ein Schlüsselfaktor für die Langzeitgesundheit des Fahrers.

Der verletzungsfreie Autositz ist das nächste große Ziel. Volvo hat sich das Jahr 2020 zum „Stichtag“ gesetzt. Ab 2020 sollen kein Fahrer oder Passagier in einem Volvo mehr schwer verletzt oder gar getötet werden. Um seinen Markenwert zu steigern, hat sich Volvo die von Barényi postulierte aktive und passive Sicherheit zu eigen gemacht. Die alten Sicherheitsziele gehen durch die Integration moderner Assistenzsysteme in eine neue Ära.

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